Habe gerade den ersten Teil der Einleitung zu meiner Diplomarbeit zum Thema Computer- und Onlinesucht geschrieben.
Da kommen doch ein paar Erinnerungen wieder hoch, deshalb dachte ich, ich teile mein Geschwafel mal mit euch:
"Die Entscheidung mich in meiner Diplomarbeit mit dem Thema Computer- und Onlinesucht auseinanderzusetzen ist in meiner persönlichen Erfahrung begründet. Als im Jahr 2005 das Erscheinen von „World of Warcraft“, einem Online-Rollenspiel anstand, wurde ich durch verschiedene Begebenheiten darauf neugierig gemacht. Ein Freund, der schon immer Rollenspiele spielte, lobte das Spiel schon vor seinem Erscheinen in den Himmel und war sich sicher, dass es das beste (Online-)Rollenspiel aller Zeiten werden würde. Die Herstellerfirma Blizzard Entertainment war mir als Computerspieler natürlich ein Begriff, kannte ich doch die äußerst erfolgreichen „Starcraft“- und „Warcraft“-Serien, Serien von Echtzeitstrategiespielen, mit welchen sich die Firma einen guten Namen gemacht hatte. Dass in Südkorea „Starcraft“ praktisch Volkssport ist und die Spiele in Stadien stattfinden, sowie im Fernsehen übertragen werden wusste ich auch. Das alles sprach für die Qualität des kommenden Rollenspielüberfliegers „World of Warcraft“.
Zu dieser Zeit spielte ich in einem Clan, einer Spielergemeinschaft von etwa 15 Personen, regelmäßig den relativ unbekannten Taktik-Shooter „Söldner – Secret Wars“. Fast jeden Abend wurde gemeinsam gespielt, bis die ersten Clanmitglieder an einen Zugang zum „World of Warcraft“- Betatest (Testprozedur vor Erscheinen eines Spiels, wobei ein geschlossener Spielerkreis das Produkt auf Fehler kontrolliert) kamen. Erste begeisterte Berichte machten die Runde, nach und nach wurden immer mehr Söldner-Spieler zu Beta-Testern. Auch wenn ich völlig überzeugt war, für ein Spiel niemals monatliche Gebühren zu entrichten, beugte ich mich dem Gruppendruck und besorgte mir auch einen Zugang zum Betatest. So begann meine „Karriere“ als Tauren-Schamane in der „Welt der Kriegskunst“. Erste Aufgaben waren schnell gelöst und mein Schamane wurde rasch stärker und mächtiger. Mit den Clankameraden zusammen war das Umherstreifen in den verschiedenen Gebieten des Spiels natürlich noch ansprechender, also wurde Gewehr gegen Schwert getauscht und der Clan hieß fortan „Gilde“.
Als der Beta-Test endete waren es noch wenige Wochen bis zum offiziellen Verkaufsstart. In dieser Zeit saugten wir alle Informationsschnipsel auf wie ein Schwamm und diskutierten uns die Köpfe über die Wahl der „richtigen“ Charakterklasse heiß – niemand konnte den Start des Spiels erwarten und die vorherigen Bedenken über die monatliche Gebühr waren verschwunden. So kam es, dass ich am Veröffentlichungstag pünktlich morgens zur Ladeneröffnung vor einer kölner Saturn-Filiale stand, natürlich nicht ohne ein paar Tage zuvor vorbestellt zu haben, damit ich auch sicher sein konnte ein Exemplar abzubekommen. Zuhause angekommen konnte die Installation nicht schnell genug gehen, aber da ich nicht der einzige Student unserer Spielergruppe war, war ich nicht alleine mit meiner Ungeduld. Über Teamspeak (Sprachkommunikationsprogramm) konnten wir uns austauschen und gegenseitig „heißreden“ bis endlich alle Hürden genommen waren und der Ansturm auf die virtuelle Welt beginnen konnte.
In den folgenden zwei Jahren, unterbrochen durch eine mehrmonatige Pause, verbrachte ich einen Großteil meiner Zeit im Spiel. Die erste Handlung am Morgen war der Gang zur Kaffeemaschine, während der Computer bereits startete. Meist waren auch ein paar Gildenkameraden online, so dass der Tag in der Regel in „World of Warcraft“ verbracht wurde, falls nicht lästige Verpflichtungen in der realen Welt dazwischenkamen, die ich aber meistens auf ein Minimum beschränken konnte. Meine sozialen Kontakte pflegte ich trotzdem weiter und verbrachte meist ein bis zwei Tage am Wochenende mit Freunden und Bekannten. Der Ausstieg aus der virtuellen Welt verlief über mehrere Wochen in denen ich von Tag zu Tag weniger Lust auf das Spiel hatte, bis ich eines Tages merkte, dass ich zwar meine monatliche Gebühr bezahle, aber kaum noch online war. Daraufhin kündigte ich mein Spielabonnement und konnte zu meiner Überraschung auch sehr gut ohne das Spiel leben."